2010 haben wir Christoph Stiller kennengelernt. Christoph begleitete uns beim Frühlingskonzert in der Casino-Gesellschaft am Klavier und hatte schon damals gute Anregungen, wie sich einige Chormitglieder schmunzelnd erinnern. Der Chor befand sich zu der Zeit in einer Umbruchsphase und war auf der Suche nach einem neuen Chorleiter. Christoph sprang 2011 im Auftrag des damaligen GMD Marc Piollet interimistisch dem Chor zur Seite, um in der Probearbeit für die Aufführung von Berlioz‘ Roméo et Juliette zu unterstützen. Bei der Suche nach einem neuen Chorleiter, warf auch Christoph seinen Hut in den Ring. In einer offenen Abstimmung stimmten 100 % der Chormitglieder für Christoph als neuen Chorleiter. Eine Entscheidung, die wir nie bereut haben.
Viele schöne Projekte folgten, der Großteil davon anfangs in Zusammenarbeit mit dem Chor und Orchester des Hessischen Staatstheaters (Händels Messias, Mahlers 2. Symphonie, Mendelssohns Paulus). Christoph legte aber auch sehr viel Wert darauf, dem Chor eine eigene Identität und ein eigenes Selbstbewusstsein zu geben, indem er eigene Chor-Projekte oder auch die Zusammenarbeit mit anderen Chören und Orchestern förderte (z.B. Carmina Burana zusammen mit der Wiesbadener Musikakademie).
Besonders stolz waren Chor und Chorleiter auf die Solo Projekte, wie zum Beispiel das Duruflé Requiem in der Bonifatius Kirche mit Gabriel Dessauer an der Orgel in 2017. Diese Aufführung stieß auf so viel positive Resonanz, dass es dem Chor Anfang 2018 ein Gastspiel in der Carnegie Hall NY im Rahmen eines internationalen Chorprojektes brachte. Die letzte erfolgreiche Kooperation fand noch vor der Corona-Pause statt, die Messe Misatango von Palmeri zusammen mit der Kammermusikvereinigung des Hessischen Staatsorchesters in der Wartburg.
Dann kam Corona. Ein Einschnitt für die gesamte Chorgemeinschaft. Eine neue Herausforderung, die Christophs Einfallsreichtum forderte. Natürlich gab er sich nicht der allgemeinen Schockstarre hin. Natürlich setzte er alle Hebel in Bewegung, um weiter mit seinem Chor arbeiten zu können. Er organisierte digitale Proben mit der Software Jamulus und gab keine Ruhe, bis auch das letzte Chormitglied die Software im Griff hatte und man so gemeinsam für Janacek’s Glagolitische Messe proben konnte. Eine Mammutaufgabe, die ohne seinen Einsatz, seine Erfahrung und seine Geduld, nicht zu bewältigen gewesen wäre.
Auch Weihnachtslieder führten wir seit 2012 regelmäßig auf, zunächst im Kurhaus, später im Rathaus, jeweils mit großer Begeisterung des Publikums, das mit Freude einstimmen durfte. Unser letztes Konzert mit Christoph fand am 1. Advent dieses Jahres in der Englischen Kirche Wiesbaden statt. Vor prall gefüllten Reihen mit einem strahlenden Chorleiter, dem die Freude an seinem Chor anzusehen war.
Wie er eben so war, Christoph Stiller. Ein Macher, voller Energie, guter Ideen und einem hohen Anspruch an sich selbst und andere. Ein brillanter Musiker, durch und durch. Ein Ausnahmetalent. Dabei voller Humor und Selbstlosigkeit. Niemals von oben herab. Immer geduldig mit unserer Gemeinschaft aus Laiensängern unterschiedlichster Herkunft und musikalischer Vorbildung, die er zu einem harmonischen Chor geformt hat. Christoph hat nie unterschieden, ob er mit Profis oder Laien arbeitet. Man bekam immer den besten, den engagiertesten Christoph mit hohen Ansprüchen, unglaublich viel Leidenschaft und viel Geduld und niemals schlechter Laune. Mit einem mittelmäßigen Arbeitsergebnis hat er sich nie zufriedengegeben. Wir Sängerinnen und Sänger waren zum Konzert sowohl musikalisch als auch mental immer bestens vorbereitet. Er konnte mit seiner liebevollen, humorvollen, aber auch zielstrebigen Art unglaublich motivieren. Er hat sich für uns eingesetzt und er hing an diesem Chor ebenso sehr, wie wir an ihm hingen.
In der Zusammenkunft nach der schrecklichen Nachricht von Christophs Tod haben wir versucht, unsere Trauer, aber auch unsere Erinnerungen in Worte zu fassen. Was uns bleibt und was uns eint, ist unendliche Dankbarkeit dafür, dass wir 11 Jahre lang, nicht nur unseren musikalischen Weg gemeinsam gehen durften. Dass wir so viel von ihm lernen durften und ein Teil seiner musikalischen Welt sein konnten. Wir vermissen ihn unendlich und werden ihn nie vergessen.